Tricksters Plan - Kunst am Bau für die Freie Universität Berlin

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Das Verständnis einer »prinzipiellen Ungesichertheit« von Wissen ist wesentlich für die Wissenschaft. Die Vermittlung dieser Ungesichertheit ist eine Aufgabe der Universität. Insbesondere durch die Verbindung von Forschung und Lehre wird die Veränderung von Wissen aufgrund der anhaltenden Neugewinnung und Neubewertung von Erkenntnissen deutlich. Die künstlerische Metapher für die Unsicherheiten in Erkenntnisprozessen ist der Arbeit der Biologin und Wissenschaftstheoretikerin Donna Haraway entliehen. Der »Trickster« dient Haraway als evokative Figur, welche die Welt – den Gegenstand der Wissenschaft – als eine »gewitzte Agentin« erklärt. [Donna Haraway, Situiertes Wissen, Die Wissensfrage im Feminismus und das Privileg einer partialen Perspektive, 1995, S. 94]

Der Trickster, der in mittel- und nordamerikanischen Kulturen die Figur des Kojoten annimmt, symbolisiert als zwanghafter Grenzübertreter Veränderung – eine notwendige Bedingung für den Forschungsprozess. Nur er vermag als Bote, Gestaltwandler oder Umkehrer Gegensätze zu vereinen und steht damit, als eine der ältesten Ausdrucksformen der Menschheit, am Anfang von Zivilisationsprozessen. Als Agentin verstanden kann die Welt den Grenzziehungen der Forschung ausweichen. Die prinzipielle Ungesichertheit von Wissen wird begründet. Der Plan des Tricksters ist, die ausweichende Geste in ihrem welterweiternden Charakter für die Wissenschaft nützlich zu machen.

Die Holzlaube und die Campusbibliothek sind dazu angelegt, durch Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche Wissenskulturen zu verschränken. Tricksters Plan folgt dieser Idee und greift Darstellungs-, Übertragungs- und Übersetzungsverfahren auf, wobei es natur- und geisteswissenschaftliche Bildpraktiken und Zeichensysteme verwebt. Die Arbeit soll Raum für Assoziationen bieten, als Projektionsflächen des eigenen, situierten Wissens dienen und jene Überraschungen und Ironien freilegen, die im Herzen jeglicher Produktion von Wissen liegen.

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Tricksters Plan Wandarbeit FU Berlin

Tricksters Plan Wandarbeit FU Berlin

A. Bibliotheksfoyer
Die Wandarbeit im Foyer zeigt auf zirka 300 Quadratmetern Fläche ein wildes Gewebe grafischer Elemente. Es steht im Gegensatz zu den strengen Reihungen der Regale der Bibliothek. Das offensive Chaos spiegelt die vermeintliche Ordnung. Die Gestaltung folgt der Wand, vollzieht Vor- und Rücksprünge, ignoriert Öffnungen und Möblierungen, scheint den Wänden schon immer eingeschrieben zu sein. Mit jedem Aufenthalt im Gebäude bietet die Wand neue Entdeckungen. Elemente tauchen auf und verschwinden wieder, etwa hinter den Regalen der Leihstelle.

Tricksters Plan Wandarbeit FU Berlin

Tricksters Plan Wandarbeit Detail FU Berlin

B. Institutsgebäude, Treppen I–VI
Im Institutsgebäude der Holzlaube sind die sechs Treppenhäuser als Kreuzungs- und Angelpunkte der Erschließung Orte einer sechsteiligen Installation. Jede der Einzelinstallationen hat eine eigene Farbe und abhängig von den Höhen der Lufträume in den Treppenaugen umfasst sie zwei bis sechs aus Aluminiumblech geformte Segmente. Die »Blätter« sind jeweils unterschiedlich gebogen. Die Drucke auf ihnen offenbaren durch Auslassungen grafische Notationen. Mit der Bewegung spiegeln sich die Betrachter*innen schemenhaft in den metallischen Oberflächen. Als vertikale Struktur durchkreuzen die Installationen die horizontal geprägte Struktur des Gebäudes und machen Höhen deutlich. Beim Versuch, den Bildwelten ei- ner der Installationen zu folgen sind Betrachter*innen gezwungen, sich konzentrisch um sie zu bewegen, die Treppe nach oben oder unten zu nehmen. Ein Perspektivwechsel wird erforderlich – jene Bewegung, die oft Bedingung von Erkenntnis ist.

Tricksters Plan Installationen verschiedene FU Berlin

Tricksters Plan Installationen rot FU Berlin

Tricksters Plan Installationen grün FU Berlin

Tricksters Plan Installationen Schnitt FU Berlin

C. Vorplatz
In der Mitte des Vorplatzes steht der Kojote. Die Holzskulptur mit einer Schulterhöhe von zirka 80 Zentimetern lädt zur Berührung ein. Der Ausdruck ist verwegen, neugierig, heiter. Als Symbol für die Freiheit und als anpassungsfähiger Kultur(sic!)folger erlaubt der Kojote Identifikation, Reibungsfläche und Anregung für inter- disziplinären Austausch. Da er den Bezug zu Nordamerika herstellt, also auch auf die historische Narration der Freien Universität Bezug nimmt, hat er das Potenzial ein Maskottchen zu werden. Durch seine Platzierung in der Haupt-Bewegungsrichtung zwischen den Gebäuden Rost-/Silber-/Holzlaube und dem U-Bahnhof Dahlem- Dorf passieren ihn täglich viele Student*innen und Mitarbeiter*innen der Universität. Bewusst steht er in der Nähe des Walnussbaums. Eine Eigenart dieser Bäume ist, dass unter ihren Kronen kaum mehr Gras wächst, eine kleine Steppe entsteht. Der Kojote scheint seinem natürlichen Lebensraum entsprungen zu sein. (Entwurf gemeinsam mit Sebastian Hertrich)

Tricksters Plan FU Berlin Skulptur Kojote

Die ursprüngliche Holzskulptur wurde 2019 durch einen Betonabguss ersetzt.

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Tricksters Plan FU Berlin Lageplan

Fertigstellung 2018

Dank gilt jenen Mitarbeiter*innen der Technischen Abteilung (insbesondere Iren Böhme), der Campusbibliothek und des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften der FU Berlin, die bei der Realisierung zur Seite standen.

Besonderer Dank gilt den unmittelbar Mitwirkenden:

E n t w u r f / P l a n u n g
Bollinger und Grohmann GmbH Berlin
Holzbildhauer Sebastian Hertrich, Erlangen
Bernd Euler GmbH Berlin
Plan 3D Laserscan + Modell GmbH Berlin
Florian Nagler Architekten, München

P r o d u k t i o n
Holzbildhauer Sebastian Hertrich, Erlangen
Bernd Euler GmbH Berlin
LSK Folien- und Werbetechnik GmbH Berlin
Extratapete GmbH Berlin
Repro Berlin GmbH Berlin

M o n t a g e
Bernd Euler GmbH Berlin
Maxim Pablo Bauer, Mirko Maierzak
Steinbildhauer Roland Luchmann, Berlin
Steinmetz Frederik Frövel, Berlin
Quadriga Gerüstbau GmbH Berlin